Glosse
Eine Zahnbürste und ihr Beitrag für den Umweltschutz
von Werner Augustin
Die Wirklichkeit:
Der Verfasser stand im Supermarkt. Vor einem großen Regal mit allerlei lustigen Dingen. Blaue Seifen lagen da, bunte Dosen, Pasten, Quasten, Ein- und Auslagen, Feilen, Scheren, Kämme, Haarnadelentwurzelsets, Diaphragmen, Diademe und zu guter Letzt auch Zahnbürsten. Es gab sie in Pink, Rot, Blau, Grün, Weiß und Gelb von „hart“ über „mittel“ bis „weich“ Manche konnten im Dunklen leuchten. Der Verfasser kniete nieder und fand in Bodennähe ein braunes Schächtelchen vor. Auch mit einer Zahnbürste drinnen. Und was für einer. Einer braunen. Aus Bambus!
Dichtung:
Beworben wurde das edle Teil mit zarten Phrasen. Sie sei ideal für gute Menschen. Bambus, ein Naturprodukt, nachhaltig gewonnen von glücklichen Bauern (m/w/d/u.s.w.) in den Tiefen des tangonesischen Regenwaldes. Die den ganzen Tag zu einheimischer Mittagsmenü-Musik das Lied vom Lebensglück im Palmenhain singen. Versonnen hielt der Verfasser die kleine, weitgereiste Schachtel in der Hand. Von der Hauptstadt Yumyum ward sie nach Hamburg verbracht, mit einem furchtbar großen Schiff. So 18.300 Kilometer übers weite Meer. Das Schiff macht etwa 40 Kilometer pro Stunde, sind pro Tag (mit Nacht) so 960 Kilometer. Dabei verdieselt es am Tag um die 300 Tonnen Schweröl. Wenn unser Dampfer also rund 19 Tage (und Nächte) vor sich hin qualmt, jagt er 5.700 Tonnen davon durch den Schornstein. Oder so. Aus einer Tonne Schweröl ließen sich etwa 75 Liter Benzin gewinnen, bei 5.700 Tonnen also 427.500 Liter. Bei einem Verbrauch von sieben Litern auf 100 Kilometern kämen so immerhin gute sechs Millionen Kilometer auf den -alternativen-Tacho. Also fast acht Mal Mond und zurück. Ob’s da oben CO2 gibt? Schön wär’s, weil dann könnte man es einsparen.
Tutend tuckert unser Dampfer in den Hafen von Hamburg. Graue Wölkchen hustend. Bambusbürstenbeladen. Ist die Welt nun gerettet?
Die Wirklichkeit:
Solch schwerölige Bilder im Kopf legte der Verfasser die Schachtel sachte zurück ins Regal. Seufzend. Und so trug es sich zu, dass er immer noch seine „Doktor-Pest-mittelhart“ von 2011 in Gebrauch hat. Auch wenn die inzwischen aussieht wie ein zerfuzeltes Stachelschwein nach der Wurmkur, nachhaltig ist sie.
Zur Heiligsprechung des Verfassers sind Sie herzlich eingeladen.
